
Jürgen Nott, CEO von Infinigon, lebt und arbeitet seit 2007 in New York City und findet im Alltag von „Big Apple“ immer wieder überraschende Parallelen zur Makro-Ökonomie, über die er hier berichtet.
Eine Analyse der neuen US-Regierung
Liebe Leser,
heute möchte ich Erkenntnisse und Erfahrungen zur neuen Regierung in den USA mit Ihnen teilen.
Vorweg: Mein Anliegen ist es dies so objektiv wie möglich zu tun, ohne meine persönliche Meinung einfließen zu lassen. Es ist zu beobachten, dass der derzeitige Präsident der USA stark polarisiert. Dies kann es auch für Leser und Beobachter herausfordernd machen, Informationen neutral aufzunehmen.
Wie ist die Stimmung?
In New York City lässt sich die allgemeine Stimmung als „frustriert“ beschreiben. Dies liegt besonders daran, da das letzte Fünkchen Hoffnung darauf, dass es diesmal unter Präsident Trump professioneller und weniger chaotisch laufen würde, bereits in den ersten Wochen seiner Amtszeit hemmungslos weggewischt wurde.
Unsere Kinder sind Mitglied in einem Skiclub in Connecticut, was bedeutet, dass man als Elternteil viel Zeit mit anderen Eltern verbringt, wenn man nicht auf Skiern ist. Noch vor wenigen Wochen war die Stimmung optimistisch und zuversichtlich:
Matthew, Private-Equity-Manager: „Das ist nur sein Stil.“
Tim, Immobilienmakler: „Das eine ist für die Medien, das andere ist, was er wirklich tut.“
Fabien, Hedgefonds-Manager: „Es muss sich einfach etwas ändern.“
Andrew, Unternehmer: „Die Institutionen werden den Schaden schon begrenzen.“
Alles in allem habe ich eine Sorglosigkeit wahrgenommen, die mich doch sehr verblüffte und mich dazu brachte, mich selbst zu hinterfragen: Sehe ich das Glas nur halbleer, obwohl es halbvoll ist? Ist es unsere Geschichte, die meine Sicht auf die Dinge zu sehr beeinflusst?
Mein Fazit aus vielen Gesprächen: Die Amerikaner scheinen bereit zu sein einiges an Kollateralschäden in Kauf zu nehmen, in der Hoffnung auf radikale Veränderungen – langfristig „zum Guten“ – aus deren Sicht.
Wie sehen es die Profis?
Vor wenigen Tagen war ich bei Bloomberg zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Trumponomics“ eingeladen.

Die wichtigsten Erkenntnisse zur Trump Administration die ich dort mitgenommen habe:
1. Chaos als Strategie: Chaos ist kein zufälliges Ergebnis der Persönlichkeit von Trump, es ist Teil seiner Strategie. Ziel ist es, die Übersichtlichkeit zu zerstören, sodass unklar bleibt, was Rhetorik, was eine ausgefallene Idee und was real ist. Eine Journalistin, die ihn bereits seit über zehn Jahren begleitet, bestätigte, dass er diese Taktik bereits als Unternehmer angewendet hat.
2. Der Nachfolger von Präsident Biden zeigt starke narzisstische Züge und sucht ständig das Rampenlicht. Dies führt zu permanentem Streben nach Aufmerksamkeit und ist zugleich auch eine Schwachstelle im „System Trump“.
Eine treffende Aussage bringt es auf den Punkt: „Wenn Trump das Gefühl hat, dass Elon Musk als der eigentliche Präsident und Drahtzieher wahrgenommen wird, dauert es keine 15 Minuten, bis er gefeuert wird.“
Man darf gespannt bleiben, wie lange es dauert.
3. Alle Mittel sind ihm recht, um die geplanten Ziele zu erreichen. Sie werden mit brachialer Gewalt und kindischer Ungeduld verfolgt. Loyalität geht vor Kompetenz. Dies geschieht mit der Selbstüberzeugung, dass sich andere Nationen den Interessen des „Deal Makers“ aufgrund des Machtanspruchs des Präsidenten der „Greatest Nation in the World“ unterordnen müssen.
4. Entscheidungen fällt er spontan – er ist kein rationaler, sondern ein emotionaler Denker, was zu erratischen Entscheidungen führt.
5. Beratungsresistenz, da ihm seine Lebenserfahrung bestätigt, dass seine Methoden erfolgreich sind. Er hält sich für den einzig Weisen und ist überzeugt davon, es besser als alle anderen zu wissen.
6. Welche Ziele Musk verfolgt und welche Rolle er tatsächlich einnimmt, bleibt ungewiss.
Fazit
Das Chaos bleibt bestehen – und das wird sich auch nicht ändern. Es gilt sich nicht von der täglichen Flut an Wahnsinn blenden zu lassen, sondern das große Ganze im Auge zu behalten und sich auf die Inhalte zu konzentrieren.
Die Herausforderung für uns alle wird es sein, den Fokus auf das zu richten, was wirklich relevant ist. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei, in entscheidenden Momenten die richtige Wahl treffen zu können.
Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute.
Ihr
Jürgen Nott – CEO, Infinigon GmbH