
Jürgen Nott, CEO von Infinigon, lebt und arbeitet seit 2005 in New York City und findet im Alltag von „Big Apple“ immer wieder überraschende Parallelen zur Makro-Ökonomie, über die er hier berichtet.
Führt Biden die USA in die soziale Marktwirtschaft?
In den USA bleibt es spannend.
Das Infrastrukturpaket hängt am seidenen Faden. Da Biden nicht auf die Stimmen der Republikaner zählen kann, braucht er alle 50 Stimmen im Senat plus der Stimme von Vice President Harris. Bidens Problem heißen Kyrsten Sinema, Senatorin aus Arizona sowie Joe Manchin – ein demokratischer Senator aus West Virginia. Beide drohen gegen das Infrastrukturpaket zu stimmen. Hier offenbart sich der Richtungsstreit innerhalb der Demokraten – eher traditionell gegen liberal – oder was die Verschuldung betrifft „maßvoll“ gegen „aufs Ganze“. Biden hat meines Erachtens auf seiner Agenda die USA in eine soziale Marktwirtschaft umzubauen. Dies hat meiner Ansicht nach folgende Gründe:
- Stabilisierung der Demokratie durch breitere Bildung, gerechter empfundene Verteilung von Kapital, mehr Chancengleichheit, aber auch die Vorwegnahme von (wie man es auch nennen mag) bedingungslosem Grundeinkommen, da aufgrund mangelnder globaler Wettbewerbsfähigkeit und dem technologischen Fortschritt zig Millionen Jobs nicht nur gefährdet sind, sondern wegfallen werden.
- Verbreiterung der Wählerbasis für die Demokraten durch breitere Bildung und mehr (empfundener) Gerechtigkeit.
Auch war es spannend, was den Schuldendeckel betrifft. Hier ist es interessant, dass es um Schulden geht, die bereits vom Senat und Kongress beschlossen wurden – hier zum Beispiel die Mehrausgaben durch die Pandemie in Verbindung mit nicht gegenfinanzierten Steuergeschenken an die Unternehmen und Reichen (hier kann man den Begriff glaube ich zurecht benutzen). Also es gibt letztlich keine Alternativen, als entweder die Schuldengrenze anzuheben, oder eben in Default zu gehen, da die Schulden bereits gemacht wurden. Somit wird das immer wiederkehrende Theater dazu eher zum Pokerspiel, um der jeweiligen Gegenseite – die gerade am Ruder ist – etwas abzugewinnen. So ist halt Politik und die Börsen, Wirtschaft und Investoren müssen damit leben…
Was aktuell noch dazukommt ist, dass die Fed mit ihren zwei Zielen, die ihr vom Kongress vorgegeben wurden – Währungsstabilität und Vollbeschäftigung – zwischen drei Stühlen sitzt. Auf der einen Seite scheinen beide Ziele aktuell unvereinbar. Auf der anderen Seite kämpft sie nach Ansicht nicht weniger Experten gegen eine Fiskalpolitik, die es aktuell Menschen leichter macht keinen Job zu suchen und damit die Vollbeschäftigung, zumindest so wie diese aktuell definiert ist, erschwert.
Auch wenn das „big picture“ sehr komplex scheint – im Kleinen zeigt sich die Flexibilität und Agilität am Beispiel Radweg. Ein paar Eimer Farbe und buchstäblich über Nacht ist der neue Radweg fertig – gut geschützt durch die neu entstandenen Parkflächen – die Verkehrsberuhigung gibt’s noch obendrauf…

Damit wünsche ich Ihnen noch einen „goldenen Herbst“ und machen Sie es gut!
Ihr Jürgen Nott