nott’s notes

Jürgen Nott, CEO von Infinigon, lebt und arbeitet seit 2005 in New York City und findet im Alltag von „Big Apple“ immer wieder überraschende Parallelen zur Makro-Ökonomie, über die er hier berichtet.

Gute Lage – schlechte Stimmung

Die Stimmung bei den Amerikanern ist nicht rosig, obwohl die wirtschaftliche Lage ausgesprochen positiv ist. Das ist seltsam, aber durchaus erklärbar – und aus meiner Sicht hat es vielfältige Gründe. Lesen Sie hier, welche …

von Jürgen Nott

31. Dezember 2021

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    Die Stimmung bei den Amerikanern ist alles andere als rosig obwohl die wirtschaftliche Lage ausgesprochen positiv ist. Dies ist zum einen auf die kollektive Enttäuschung, dass die Pandemie noch nicht beendet ist, zurückzuführen, aber auch in das aktuell geringe Vertrauen in Joe Biden, dem aktuell das „Loser Image“ anhaftet. Nach dem Afghanistan Desaster, aber auch was seine Agenda betrifft, die mehr stockt als vorankommt.

    Der wesentliche Grund liegt aber in der Preissteigerung, die voll auf die Mittelschicht und Unterschicht Amerikas durchschlägt. Diejenigen, die von „Paycheck-to-paycheck“ leben, spüren jede Preiserhöhung direkt. Das dies so sehr auf die Stimmung schlägt liegt auch an der Psychologie. Auf der einen Seite steht das Plus, dass die Amerikaner (gefühlt) in der Tasche haben (z.B. durch Lohnerhöhungen) die allein im Dezember mit 0.6% durchgeschlagen haben als etwas was ihnen zusteht. Im Gegensatz ist die Inflation etwas das ihnen etwas wegnimmt – also der sie sich ausgeliefert fühlen.

    Die Fed „between a rock and a hard place“

    Eine Kernaufgabe der Fed ist die Vollbeschäftigung. Diese scheint jetzt mit 3.9% (Stand 07. Jan) erreicht, wenn man ignoriert das immer noch Millionen Amerikaner dem Jobmarkt fernbleiben (ich hatte im November dazu geschrieben). Insbesondere aufgrund der Fed gemachten Geldschwemme und dem Deficit Spending in der Pandemie. Beides hat dazu geführt das Amerikaner sich „reich“ fühlen. Nicht nur das Kreditkartenschulden zurückgezahlt wurden und sich damit der FICO Score (Kreditqualität) erhöht. Ein guter FICO Score bedeutet auch das Banken und andere Kreditgeber aktiv Home Equity Loans (Beleihung auf die Wertsteigerung der Immobilien) und Konsumentenkredite anbieten (tägliche Offerten per Email, Post, Telefon) um Amerikaner zu verschulden. Auch Autohersteller rufen an um das „positive equity“, dass man auf dem geleasten Auto hat, zu versilbern. Das scheitert jedoch daran, dass es keine Neu- oder Gebrauchtwagen gibt um das „positive equity“ zu realisieren. Aber all das führt dazu, wie auch die Eigenschaft der Amerikaner mit weniger zufrieden zu sein, zu „down sizing“ und dem Arbeitsmarkt fernzubleiben.

    Dies führt wiederum dazu, dass Arbeitgeber, die die Jobs nicht besetzen können diese durch Automation ersetzen. Wie z.B. bei WholeFoods (Bio Supermarkt – wobei das Bio mit dem deutschen Verständnis von Bio nichts zu tun hat) um die Ecke. Dort wurden in den letzten 6 Monaten 20 Kassen durch „self checkouts“ ersetzt (Bilder unten). Das macht bei zwei Schichten 40 Arbeitsplätze und bei 509* Filialen über 20.000 Jobs. Bei CVC (Drogerie) mit über 9.000** Filialen und Target mit über 1897*** Filialen sieht es nicht anders aus. Um nur einige Namen aus nur einer Branche zu nennen.

    Es wird die Zeit kommen, wenn die aktuell dem Arbeitsmarkt entzogenen Arbeitskräfte wieder auf den Arbeitsmarkt drängen. Es ist schwer vorstellbar, dass die Arbeitsplätze, die einmal weg rationalisiert wurden, wieder besetzt werden. Damit hat die Fed mit der lockeren Geldpolitik zwar in Rekordzeit die Arbeitslosigkeit beseitigt, aber systemischer Langzeitarbeitslosigkeit die Tür weit aufgemacht. Aber auch das ist typisch amerikanisch, man beseitigt die aktuellen Probleme und für das was dann kommt findet man schon eine Lösung …. oder wie die Amerikaner dazu sagen – „kick the can down the road“

    In diesem Sinne – bleiben Sie Gesund und optimistisch!

    Quellen: *Scrape Hero, **Quelle CVS, ***Quelle Statista
    Die enthaltenen Aussagen zur Marktlage stellen unsere eigene Ansicht der geschilderten Umstände dar. Hiermit ist weder eine Allgemeingültigkeit noch eine Anlageberatung oder -empfehlung verbunden.
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